Thuja und Kirschlorbeer roden und verbieten?
Die Fahndungsliste der Naturschützer ist prall gefüllt mit invasiven Neophyten - eingewanderte exotische Gehölze, ökologisch 'wertlos', die auch in Gärten nicht geduldet werden sollten. Beim Thema Hecken und Sichtschutz
können sich viele Gartenbesitzer ihren Gartenlebensraum ohne immergrüne Thuja und Kirschlorbeer nicht vorstellen. Als Pflanzenproduzent haben wir uns dazu Gedanken gemacht.
Henning Stoldt, Landschaftsarchitekt
Wenn Sie an Pflanzen denken, was triggert Sie? Vermutlich werden nur wenige Menschen vom Themenbereich Pflanzen getriggert – ganz im Gegenteil, bei diesem Thema herrscht häufig Ratlosigkeit. Beobachten Sie mal Kandidaten in Quizshows bei Fragen aus dem Pflanzenreich. Eben.
Wir wissen jedoch ganz sicher, was den Naturschutzbund Deutschland e.V., kurz NABU, triggert: Es sind aus deren Sicht böse exotische Gartenpflanzen – und hier im Fadenkreuz ganz konkret die ganz bösen Drei:
Ein Pflanzenthema erhält immer dann besondere Aufmerksamkeit, wenn es die Blase der Fachzeitschriften verlässt. So geschehen in Ausgabe 18/2021 des SPIEGEL, wo unter dem Titel
Saat des Bösen
Um beliebte Gartenpflanzen ist ein Kulturkampf entbrannt. Weil sie der Umwelt schaden, wollen manche Naturschützer sogar Rhododendron und Kirschlorbeer verbieten
Der NABU ist Partei im Kulturkampf und vertritt dabei lautstark die Dagegen-Seite und tut es als Anwalt der Biodiversität, der Insektenfreundlichkeit und der Frage, was in einem 'guten Garten' gepflanzt werden darf. Und er tut dies mit erhobenem Pflanzenpolizeifinger.
Gegenrede pro Rhododendron hält der Leiter des Bremer Rhododendron-Parks, Hartwig Schepker. Er weist auf eine Untersuchung hin, die einigen Arten und Sorten den Anflug weitverbreiteter, unspezialisierter Wildbienenarten nachweist und wirft Kritikern ein „nationalistisch geprägtes Pflanzenbild“ vor. Er plädiert dafür, „die Welt der Pflanzen mit offenen Armen willkommen zu heißen.“
Wir als Pflanzenproduzenten und Pflanzenhändler sind maßgeblich mitverantwortlich für die Verbreitung "böser" Gartenpflanzen. Es ist unser Geschäft und angesichts der ungebrochenen Nachfrage nach Pflanzen aus dieser Gruppe ein einträgliches dazu. Insbesondere Kirschlorbeer ist leicht kultivierbar, wächst schnell und ist damit schnell verkaufsfertig.
Produktion und Handel: Irgendwo - nämlich von den Baumschulen - kommen die 'bösen' Gartenpflanzen Thuja, Rhododendron und Kirschlorbeer her
Weil wir als Baumschule ein wichtiger Mitspieler sind, wollen und können wir zu diesem Thema auch Stellung beziehen und sehen uns dazu Thuja und Kirschlorbeer näher an, die bei uns in großen Stückzahlen heranwachsen.
Rhododendron produzieren wir selbst nicht, aber wir handeln diese immer noch sehr beliebte Gartenpflanze natürlich.
Um aber in die Diskussion um Rhododendron einzusteigen, müssten deren Gegner zunächst anerkennen, dass Rhododendron sehr wohl einen gewissen ökologischem Wert einiger - vor allem frühblühender Sorten - zumindest für verbreitete (unspezifische) Wildbienenarten wie Hummeln als Pollen und Nektarlieferant haben.
Rhododendronfreund Hartwig Schepker vom Bremer Rhododendronpark drückt es im SPIEGEL-Artikel so aus:
"Es geht doch auch nicht nur darum, wie viele Insekten eine Pflanze anfliegen, sondern auch darum, ob sich der Mensch an ihrem Aussehen, ihrem Duft und ihrer Gesellschaft erfreuen."
Die etwa 200 Jahre alte gartenkulturelle Bedeutung von Rhododendron wird mal eben zur Rodung freigegeben - weil eine einzige der rd. 1000 Arten zu einem Problemfall geworden ist.
Pontischer Rhododendron (Rhododendron ponticum) ist diese Art, die in zahlreichen Ländern als invasive Art mittlerweile sogar bekämpft wird.
Zur Erinnerung: Rhododendron ist nicht irgendeine Art, sondern die artenreichste Gehölzpflanzengattung der Nordhalbkugel.
Vielleicht beruhigt es radikale Naturschützer, dass Rhododendron nicht so steril sind, dass sie von Schädlingen verschont würden: Rhododendronzikade, Rüsselkäfer und Rhododendron-Gitternetzwanze sind Insekten, die auf und von Rhododendron leben...
Im Frühjahr 2021 schreibt uns eine enttäuschte Kundin auf ihre Anfrage und unserer Rückmeldung ‚heimische Sträucher ausverkauft‘ per Mail zu diesem Thema:
„Vielleicht fühlen sich die Baumschulen durch die irre Nachfrage nach evtl. heimischen Sträuchern endlich mal bemüßigt, mehr von denen zu produzieren und weniger von diesem Müll namens Thuja, Kirschlorbeer, Rhodo, Hortensien und all diesen ökologisch toten Pflanzen.“
In diesem Jahr topfen wir bzw. pflanzen wir gemäß Anbauverzeichnis im Freiland ca. 15.000 Thuja und 20.000 Kirschlorbeer in verschiedenen Sorten, Tendenz allerdings fallend.
Dafür produzieren wir tatsächlich von Jahr zu Jahr mehr heimische Feldgehölze auch im Container vom C3 bis zum Solitär-C20, wo es früher ‚nur‘ wurzelnackte Sträucher aus dem Freiland gab.
Im Vergleich zu Thuja & Co. ist die Gesamtmenge noch geringer: So kommen wir in Summe aller Arten (wie Acer campestre, Crataegus monogyna, Prunus spinosa) in diesem Jahr auf etwa 15.000 heimische Feldgehölze.
Stichwort „ökologisch tote Pflanzen“ – das schlägt in die Kerbe einer schon etwas älteren populistischen Warnung des NABU „Eine Betonmauer ist für die Natur wertvoller als Kirschlorbeer“ (Sönke Hofmann, GF Nabu Bremen)
In einem Nachtrag – mutmaßlich als Reaktion auf einen Mail-Shitstorm – fügt der NABU hinzu, dass durch die plakative Aussage vor der Entwertung von Gartenlebensräumen in Neubaugebieten durch die massenhafte Verwendung von Kirschlorbeer als Hecken gewarnt werden solle.
Wir vermuten: eher nicht.
Wer erinnert sich an die Omorika- und Sitka-Fichten-Orgien, an Goldulmen, Blautannen und -zedern und die mit Chrom-VI-haltigen Verbindungen imprägnierten Jägerzäune der 1960er und 70er Jahre? In vielen Gärten regierte schon mal eine Art ‚Clean-Schick‘, wie er heute in Form von Vorgartenverschotterungen wieder zu beobachten ist: die ‚schwarze Erde‘. Mindestens 14-tägig musste durchgerissen werden, damit zwischen hochbeinigen und ewig kranken Edelrosen, regelmäßig gespritzten Sauerkirschbäumen oder sehr besonderen Kleinkoniferen ja kein Eigenleben entstehen konnte. Im öffentlichen Grün waren in den späten 60er und frühen 70er Jahren sogenannte 'ABC-Planungen' nicht unüblich: Asphalt, Beton und Cotoneaster ...
Fichtenhecken als Sichtschutz entlang von Grundstücksgrenzen - das gab's früher häufig in Siedlungsgebieten. Heute kämpfen die letzen Exemplare im (vor-)städtischen Bereich gegen die Trockenheit in Folge der Klimaveränderungen
Die Situation in den Gärten hat sich jedoch nicht nur nach der massenhaften Entfernung von außer Kontrolle geratenen oder verkahlten Nadelgehölzen und dem Ersatz der giftigen Jägerzäune durch pulverbeschichtete Doppelstabgittermattenzäune geändert. So sind vielfach auch die einst üblichen Gemüse- und Obstgärten großen Rasenflächen gewichten. Große Gartengrundstücke wurden und werden geteilt und die Flächen mit Bebauung verdichtet.
Bebaute Flächen sind ökologisch tot. Zäune sind ökologisch tot, wenn sie nicht gerade von Kletterpflanzen besiedelt werden. Ja, und auch die Nabu-Betonmauer ist ökologisch tot und hat dazu noch eine ganz miese Ökobilanz. Im Unterschied zu den „bösen Drei“ verstoffwechselt die Betonmauer kein Co2, sie steht nicht im offenen Boden und beschattet ihn nicht (Schlagschatten? geschenkt) und mit dem Thema Garten hat sie auch herzlich wenig zu tun.
Wir vermuten fünf Hauptgründe dafür, dass immergrüne Hecken aus Kirschlorbeer und Thuja vor allem in hiesigen Neubaugebieten so exzessiv verwendet werden:
Die ersten beiden Aspekte sind vor allem bei Neubaugebieten unzweifelhaft gewichtige Gründe für die Entscheidung, mit Punkt drei gehen auch Gartenlaien auf Nummer Sicher.
Doch es liegt nicht an Rhododendron, Thuja und Kirschlorbeer, dass diese unzweifelhaft ökologisch hierzulande vergleichsweise geringwertigen Gehölze massenhafte Verbreitung finden. Es liegt an der Kaufentscheidung der Verwender und Endkunden.
Obwohl wir Pflanzenproduzent sind, werden wir keinen Versuch unternehmen, nennenswerte ökologische Pluspunkte für die drei genannten Parias zusammenzukratzen. Als Pflanzenverwender habe ich in 25 Jahren Berufstätigkeit noch keine einzige Thuja- oder Kirschlorbeerhecke geplant.
Warum nicht?
Weil es für Gärten besser geeignete Gehölze gibt.
Mehrere Privatkunden konnte ich mit Argumenten zur Gartenästhetik und aus ganz praktischen Gründen - und ganz ohne ökologischen Eifer - davon überzeugen, die Finger von Kirschlorbeer- und Thujahecken zu lassen.
Gegen Kirschlorbeerhecken spricht…
…dass Kirschlorbeer steife, künstlich anmutende Blätter mit wachsartiger Oberfläche hat – mit einem aufdringlichen Blattglanz, was Fans sich als ‚elegant‘ einreden dürfen, im Grunde genommen aber der Sterilität und Anmutung eines erstarrten Gummi- bis Plastikbaumes nahekommt. Für unser Verständnis von Gartenanmutung entsprechen Kirschlorbeerhecken etwa dem Opernbesuch in Ölzeug – oder, wie Ulrike Aufderheide (Vorstand Naturgarten e.V.) im SPIEGEL zitiert wird, der Anmutung von „wachsendem Plastik“.
…dass Kirschlorbeerhecken häufig eine unschöne grobe Blatttextur aufweisen, die sich nach Schnittmaßnahmen an formgeschnittenen Hecken aufgrund der „aufgeraspelten“ Blätter und deren zurücktrocknender Blattränder noch verschlechtert
…dass die weißen Blüten mit steifem, unnatürlich bis fast giftig anmutendem Charakter an den Trieben sitzen und dieses Gehölz nicht zum schönen Blütenstrauch machen
…dass die schnellwachsenden Pflanzen viel Schnitt bedingen und viel Schnittgut ergeben dass sich schlecht bzw. gar nicht kompostieren lässt
…eine nicht immer schöne, oft grobschlächtig wirkende Blatttextur – vor allem bei der Art und bei schlecht gepflegten/ nachlässig oder fehlerhaft geschnittenen Exemplaren
…eine Blattfärbung der Art in einem schlaffen Grün-Grau-Gelbton, bei dem sich die Frage stellt, ob die Pflanze etwas Unbekömmliches zum Mittagessen hatte
…die gnadenlose Unverzeihlichkeit von Schnittfehlern und die fehlende Möglichkeit, Thujahecken zu verjüngen – bei ‚aufgeschnittenen‘ Pflanzen bleiben anders als bei Taxus baccata dauerhaft kahle Stellen
…die Bedrohung der Vitalität von Thuja mit den zunehmenden Trockenperioden und zu warmen Wintern: bei Wassermangel verbraunen die Nadeln, es kommt zum Vertrocknen von Trieben bis hin zu ganzen Pflanzen, wobei auch alte und eigentlich eingewachsene Exemplare betroffen sind
…der verstärkt zu beobachtende Befall mit Schädlingen wie Pilzerkrankungen, Thujaminiermotte und sogar Borkenkäfer – alles begünstigt und verstärkt bei Trockenstress der Thuja, die von einem Naturstandort mit Jahresniederschlägen von 1000 mm und hoher Luftfeuchtigkeit stammen
Thujahecken: Bei regelmäßigem und sorgfältigem Schnitt lassen sich schöne immergrüne Hecken erziehen (Bild oben links) - die Bilder geschädigter Thujahecken nehmen jedoch zu: Trockenheit (Bild oben rechts) und Schnittfehler (Bilder unten) werden von Thuja - egal welche Sorte - nicht verziehen und wachsen nicht wieder zu
Kirschlorbeerhecken: Bildbeispiele aus einem Neubaugebiet - der Außenanlagenkanon besteht aus immergüner Thuja-, Kirschlorbeer- oder Glanzmispelhecke, Stabgittermattenzaun - wahlweise mit oder ohne zusätzliche 'Sichtschutzlappen aus Plastik (oft zusätzlich zur immer immergrünen und blickdichten Hecke), Trampolin und Kunststoffrattan- Loungesitzgruppe. Bild oben links: Plastikartiger Blatt-Hochglanz | Bild unten rechts: Heckenschnitt als Dauermulch am Heckenfuß - noch 2 x Formschnitt, dann haben die vertrockneten Kirschlorbeerreste vermutlich die Oberkante des Zaunes erreicht.
Nach dem aus Pflanzenverwendersicht deprimierenden Rundgang in so einem Neubaugebiet erscheinen Verbotsphantasien doch nicht mehr ganz so abwegig
Im bereits erwähnten Artikel im SPIEGEL zieht der NABU die Giftkarte, um die ‚bösen 3‘ in die Ecke zu stellen:
„ökologisch wertlos, weil hochgiftig“
Schlau eingefädelt, denn gemeinsam mit den Schlagworten #pflegeleicht #wie schneide ich #wie groß wird dürfte #ist diese Pflanze giftig ziemlich weit vorne auf der Agenda bei der Pflanzenauswahl für den eigenen Garten stehen.
Auch andere Webseiten wie myhomebook.de springen als Trittbrettfahrer und Zweitverwurster auf den SPIEGEL-Artikel auf, kritisieren die Giftigkeit von Thuja, Eibe und Rhododendron um dann was zu empfehlen?
Wer auf der Suche nach umweltfreundlichen, blickdichten Hecken ist, greift am besten zu:
Anfang 2020 wurde dort unter der Überschrift "Alternative zum Zaun: Diese 5 Hecken sind besonders blickdicht – wie Sie einen natürlichen Sichtschutz pflanzen (…)“ noch für Kirschlorbeer geworben:
„Ob Sonne oder Schatten – Kirschlorbeer stellt keine besonderen Ansprüche an Boden und Standort. Am besten eignet sich das Gewächs als Ergänzung zu mediterran gestalteten Gärten. Der Rückschnitt sollte mindestens einmal jährlich und idealerweise mit einer manuellen Heckenschere erfolgen, damit die Blätter keinen Schaden nehmen. Als Sichtschutz eignen sich vor allem die Sorten Caucasica, Rotundifolia und Herbergii.“
Auch der NABU empfiehlt beim Wunsch nach einer immergrünen Hecke Eibe als Kirschlorbeer-Ersatz.
Zwei Giftpflanzen im Vergleich: Rechts Nadeln und Früchte von Taxus baccata, rechts Blätter und Kirschen von Prunus laurocerasus | Bild links: zoonar/ Himmelhuber
Rückansicht von Grundstücken in einem Neubaugebiet: Individuell geplante Gebäude, harte Kanten ohne Übergang oder Anschluß an die Umgebung, Monokulturen immergrüner Hecken aus Kirschlorbeer oder Thuja hinter Standard-Stabgittern
Die gelassenere Einschätzung des Ethnobotaniker Wolf-Dieter Storl zu fremdländischen Pflanzen (Buch „Wandernde Pflanzen“, AT-Verlag, 2012) wird auf der Webseite biogaertner.at unter der Überschrift „Gibt es böse Pflanzen?“ so zusammengefasst:
Die Entdeckung der Neuen Welt Amerika durch Kolumbus im Jahr 1492 sei als Beginn des weltweiten Austauschs von Pflanzen zu verstehen. Vieles werde dabei als „Heil“ betrachtet: Dazu zählten neue Nahrungspflanzen wie Kartoffel, Mais, Kürbis oder Tomate. Andere Pflanzen hingegen würden zu unerwünschten Neubürgern erklärt. „Fremdenfeindlichkeit ist auch bei Pflanzen ein NoGo“, erläutere der Botaniker und weise im Gegenteil daraufhin, dass viele der ungeliebten Gewächse in ihrer Heimat geschätzt und sogar für Heilzwecke verwendet werden.
Als Schlüssel für einen Bewusstseinswandel empfehlen wir ein Mehr an Informationen für die Pflanzenverwendung. Dazu zählen Aufklärung und Ideen, wie in der Pflanzenverwendung Funktionalität (Sichtschutz!), menschliche Ansprüche an einen Garten und Ökologie miteinander vereint werden können.
In Maischberger Der Podcast mit dem Thema 'Klimakrise ist unsere größte Gesundheitsgefahr' (wdr, 21.05.2021), formuliert es Eckart von Hirschhausen auf die Frage, was er persönlich 'für das Klima tut'folgendermaßen:
"Aber das Wichtigste und immer wieder Prio Nr. 1 ist: Lasst uns Menschen für diese Themen aufschließen und gewinnen, die bisher da noch nicht mit zu tun haben oder es immer noch für eine linke grüne ökoversiffte Spinnerei halten."
Dann können Sie hier weiterlesen: Unter der Überschrift Pflanzenverbote: Immer wieder Kirschlorbeer erläutern wir u.a. die ab September 2024 in der Schweiz (und nur dort!) geltenden neuen Regelungen zu Produktions-, Verbreitungs- und Anpflanzverboten bestimmter Gartengehölze.
Blatttexturen: Während Kirschlorbeer und Thuja (obere Bilder) eine eher grobe bis unruhige Textur haben, sind die Texturen von Eibe (unten links) oder Liguster (unten rechts) viel feiner - und für die Gartengestaltung als 'neutraler' Rahmen geeigneter
Zurück zu den Rufen nach Verboten von exotischen Heckenpflanzen.
Die im Kulturkampf um die Exoten mit Verbotsforderungen den Ansichten des NABU entgegengesetzte Seite wird beispielsweise sichtbar wird in den Kommentaren des Magazins Top Agrar. Diese Zeitschrift bzw. das Online-Magazin sind Bereich Landwirtschaft reichweitenstark. Das Magazin hat sich mit den Aussagen des Beitrags im SPIEGEL beschäftigt und titelt:
"Naturschützer für Verbot von Thuja, Rhododendron und Kirschlorbeer
Kulturkampf ums Gartengrün: Weil Ziersträucher und Heckenpflanzen für Insekten relativ wertlos sind, würde der Nabu sie am liebsten verbieten und Gartenbesitzer zur Anlage von Blühpflanzen drängen."
Das Aufmacherfoto zeigt dazu einen Spatz, der in einer Thuja-Hecke sitzt.
Dass Teile der Leserschaft weder Verständnis noch inhaltliche Diskussionsbereitschaft zu diesem Thema mitbringen wollen oder können, verdeutlich diese Zuschrift, die bislang die meisten Upvotes der bis jetzt samt 12 Kommentare erhalten hat (nachfolgend unkorrigiert wiedergegeben):
"Wer im Grundbuch steht bestimmt was wächst!
Die linksgrünen Ökostädter schrecken vor Eigentum nicht mehr zurück! Mit Grün wählen und Forderungen aufstellen die sie nichts angehen weil es ihnen nicht gehört ist für diese Bevölkerungsgruppe der Ablaß bezahlt. Sie dürfen dann dafür 3 x in den Urlaub fliegen und mit dem SuV an der Steiner und Montisirischule [sic!] und Waldkindergarten vorfahren um ihre verzogenen Schranzen abzuholen. (Ironie off)"
Bei Maja Rottleb vom NABU klingt es zum Thema 'Verbote' in oben erwähnten Telefoninterview mit t-online.de aus dem August 2020 diplomatischer und vor allem lösungsorientierter:
„Bei Schottergärten finden wir ein Verbot inzwischen sinnvoll. Bei bestimmten Heckenarten wollen wir uns nicht für ein Verbot aussprechen. Wir setzen hier immer noch auf Information und wollen die Menschen damit erreichen. Viele sind offen dafür, was man tun kann, um Insekten und Vögel zu fördern. Andere merken, dass sich das Klima verändert, und wollen etwas dagegen tun. Insofern funktioniert das im Moment noch sehr gut.“
Mein Schöner Garten stellt im Giftduell Wer ist giftiger - Eibe oder Kirschlorbeer? fest, dass die Eibe die insgesamt deutlich giftigere Pflanze von beiden ist:
50 Eiben Nadeln seien ausreichend, um an einer Taxin B-Vergiftung zu sterben – würden die Nadeln zerkleinert, reichten schon etwa 10 Nadeln. Eine Gefährdung für Vergiftungssymptome bestünde bei Taxus bereits bei Hautkontakt mit den Zweigen und anschließender Exposition (Hand in den Mund/ in die Augen).
Zum Vergleich: Kirschlorbeer enthielte giftige Wirkstoffe in allen Pflanzenteilen, die jedoch nur bei Verletzung der Pflanzenteile freigesetzt würden. Um auf eine letale Dosis wie bei Taxus zu kommen, müsse etwa eine große Salatschüssel Kirschlorbeerblätter verzehrt werden.
Der NABU behauptet hingegen, dass bereits der Verzehr von zehn Früchten oder zwei Blättern zu einer schweren Vergiftung führe – dabei steckt bei den Kirschen das Gift hauptsächlich in den sehr harten Kernen.
Das GGIZ Erfurt (Gemeinsames Giftinformationszentrum der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) stuft die Giftigkeit von Prunus laurocerasus so ein:
Zum Vergleich die Giftigkeit von Taxus baccata:
Das Argument ‚ökologisch wertlos, weil hochgiftig‘ verfängt auch nur, wenn unterschlagen wird, dass nahezu alle immergrünen Gehölze (zumindest für den Menschen) mehr oder weniger giftig sind. Dazu zählen auch die meisten als einheimisch geltenden Arten.
Eine Begründung für die Korrelation von Giftigkeit einer Pflanze und der ökologischen Wertigkeit bleibt der NABU leider schuldig. Im Gegenteil: Im Interview mit t-online schlägt Nabu-Gartenexpertin Maja Rottleb Pfaffenhütchen (Euonymus europaeus) als heimische, nachhaltige Gehölzart und Alternative zu Thuja & Co. vor.
Zur Erinnerung: Euonymus europaeus zählt zu der lediglich vier Gehölzarten umfassenden Giftgehölzgruppe, für die ein gesetztliches Verbot für bestimmte Pflanzenverwendungen besteht.
Wenn Sie Ihren Garten neu anlegen oder umgestalten möchten, dann könnten diese Anregungen zu diesem Bewusstseinswandel beitragen – für einen Gartenlebensraum für Mensch, Pflanze und Tier. Wir haben diese Anregungen im Frage - Antwort - Format aufbereitet:
"Mein Gartenbudget ist knapp. Um mich wohlzufühlen, brauche ich unbedingt Sichtschutz!"
Benötigen Sie den Sichtschutz in allen Gartenbereichen oder ist es ausreichend, zunächst die wichtigsten Zonen (z.B. die Terrasse) mit größeren/ schnell wachsenden / immergrünen Gehölzen abzuschirmen? Dann verwenden Sie für diesen Bereich große Heckengehölze und zur Not auch Kirschlorbeer oder Thuja. Bepflanzen Sie andere Flächen mit für den Gartenlebensraum wertvolleren Gehölzen – sorgen Sie für Abwechslung, Vielfalt, Blüten und Früchte im Garten. Niemand würde sich schließlich tagaustagein nur von Kartoffelchips ernähren – und wenn doch…
"Mich stört, dass so gut wie alle immergrünen Gehölze giftig sind. Trotzdem möchte ich eine möglichst blickdichte Hecke pflanzen."
Benötigen Sie 100% Blickdichtigkeit wirklich das ganze Jahr über – oder vielleicht doch nur während der Sommersaison auf der Terrasse? Dann denken Sie über Rot-Buche (Fagus sylvatica) nach – dieses Gehölz hält den Großteil des Laubes über den Winter hinweg – und trägt mit dem frühlingsfrisch-hellgrünen Laubaustrieb und dem braun-kupferfarbigen haftenden Winterlaub auch noch zum Erleben der Jahreszeiten bei
Alternativen zu Plastiklappen im Zaun und zur Verthuja- und Verkirschlorbeerung wie im Bild unten links: blühende Ligusterhecke als (wintergrüner) Spieler in einer ganz anderen ökologischen Klasse | Bilder rechts: frischgrüner Austrieb und Winterlaub einer Rot-Buchenhecke (Fagus sylvatica) / Bild oben links: zoonar/ Himmelhuber
"Wir möchten Abwechslung im Gartenjahr und dazu eine gemischte Blütenstrauchhecke pflanzen - möglichst aus einheimischen und insektenfreundlichen Gehölzen. Was sollten wir beachten?"
Eine freiwachsende gemischte Blütenstrauchhecke aus heimischen Landschaftsgehölzen benötigt vor allem ausreichend Platz. Eine Breite von wenigstens 2,50 m bei 1-reiher Pflanzung und Verwendung von Gehölzen mit einer Endhöhe von max. 3 m. Besser wäre ein Pflanzstreifen von 3 bis 4 m. Bei mehrreihiger Pflanzung und Arten höherer Endhöhen wird so eine Hecke noch deutlich breiter. Die Hecke wächst ungeschnitten mindestens ebenso hoch und höher. Bei zu schmalem Raumangebot - oder einer zu dichten Pflanzung zu Nachbarflächen - muss anderenfalls ständig geschnitten werden. Ein radikaler Rückschnitt ist bei Landschaftsgehölzen jedoch problemlos möglich. Die Länderregelungen für Pflanzabstände (Nachbarschaftsrecht) sind zu beachten.
Gartenästhetisch wie ökologisch wünschenswert ist die Verknüpfung einer freiwachsenden Blüten- und Fruchtstrauchhecke mit dem restlichen Garten. Eine solche Hecke wirkt wenig gelungen, wenn sie schnurgerade gepflanzt und später zurückgestutzt wird. Durch die Kombination von Gehölzarten unterschiedlicher Wuchsform und Wuchsgröße stellt sich ein naturnahes höhengestaffeltes Gesamtbild mit Vor- und Rücksprüngen von ganz alleine ein.
Sorgen Sie für Abstufung: Vorteilhaft und der Natur abgeschaut ist ein Stauden- oder Gräsersaum ('Krautschicht') am Fuß der Hecke als Übergangsbereich, der zusätzlich für mehr Vielfalt im Garten sorgt. Ein übergangsloser Anschluß von kurz gemähtem Rasen unmittelbar an eine freiwschsende Hecke ist ein harter Bruch - und wirkt auch so. Durch überhängende Bezweigung der Heckensträucher wird außerdem die Rasenpflege unnötig erschwert.
Der "Gartenzierwert" lässt sich durch Kombination mit (NABU: jetzt Naserümpfen - aber wir sprechen i.d.R. nicht von einer Windschutzhecke in der freien Landschaft, sondern von der Bepflanzung eines räumlich meist eher eng begrenzten Gartenraumes) nichtheimischen, aber ebenfalls insektenfreundichen Gehölzarten steigern - hier stehen weitere Gehölze mit geringerer Endhöhe als z.B. Weißdorn, Schlehe oder Haselnuß zur Verfügung. Mehr zum Thema insektenfreundliche Pflanzen haben wir hier zusammengetragen.
Beispiel für Pflanzschema und Pflanzenauswahl für eine etwa 3 m breite freiwachsende Blütenstrauchhecke mit der Betonung auf höherem Gartenzierwert. Für eine stärker aus heimischen Gehölzen zusammengesetzte Pflanzung könnte Ersatz lauten: Wildrosenarten wie Rosa arvensis, R. canina oder R. rubiginosa statt Strauchrosen-Sorten, Sambucus nigra (Schwarzer Holunder) und/ oder Cornus sanguinea (Roter Hartriegel) statt Syringa (Flieder) und Amelanchier ovalis (Gemeine Felsenbirne) statt der Spiraea x arguta (Spiersträucher)
Ausschnitt der mittlerweile 10 Jahre alten freiwachsenden Hecke aus dem vorstehenden Plan entlang eines als Parkplatz genutzen Straßenseitenstreifend, fotografiert Mitte Mai: Die Blüte des Flieders beginnt (linker Bildrand), die Spiersträucher (Bildmitte) haben im April geblüht und der Zier-Apfel rechts im Bild verblüht gerade - im Sommer werden die Strauchrosen blühen
Vorkultivierte Efeu-Heckenelemente bieten sofortigen Sichtschutz und durch die gitterartige Unterkonstruktion eine gewisse Zaunfunktion. Alternativ lassen sich die üblichen Stabgittermattenzäune hervorragend mit Efeu begrünen - je nach Pflanzgröße ist dann jedoch etwas Geduld gefragt - und die Sichtschutzfunktion natürlich abhängig von der vorhandenen Zaunhöhe. Bei Bedarf (zu lange überhängende Triebe) kann Efeu wie eine Hecke geschnitten werden
"Ich mag Thuja- und Kirschlorbeerhecken eigentlich ganz gerne und werde eine von beiden Gehölzarten auf jeden Fall für meinen Garten verwenden."
Dann tun Sie es: Es ist Ihr Grundstück und ein Verbot dieser Pflanzen besteht bislang nicht - mit Ausnahmen wie z.B. auf Flächen der Essener Kleingartenvereine, auf denen die Anpflanzung von Kirschlorbeer seit Ende 2020 verboten ist und Altbestand entfernt werden musste.
Wenn Sie aber verstehen, dass Sie als Gartenbesitzer mit ihrem Gartenlebensraum ein Teil des Ökosystems sind, dann sollten Sie Ihren Garten durch die Verwendung weiterer, ökologisch wertvollerer Stauden und Gehölze im Sinne eines vielfältigen Mosaiks gestalten und sich von der Monokultur Zaun + Kirschlorbeer-/ Thujahecke + Rasen verabschieden. Pflanzen Sie einen Zier-Apfel oder gleich einen Obstbaum oder sorgen Sie auf der Terrasse für eine Kübelbepflanzung mit insektenfreundlichen Stauden...
Kleinhubbert, Guido: Alle roden! Naturschützer wollen Thuja, Rhododendron und Kirschlorbeer aus Gärten verbannen.
Aus: Der Spiegel 18/2021, https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/kampf-gegen-thuja-rhododendron-
kirschloorbeer-alle-roden-a-6f7183bf-0002-0001-0000-000177330694
Schlesinger, Ron: „Wir wollen uns nicht für ein Verbot aussprechen“.
Interview mit Nabu-Gartenexpertin Marja Rottleb (Nabu)
(t-online.de v. 08.09.2020), https://www.t-online.de/heim-garten/garten/id_88355922/naturschutzbund-ueber-
exotische-hecken-wir-wollen-keine-verbote-.html
Naturschutzbund Deutschland e.V., NABU Bremen: Eine Betonmauer ist für die Natur wertvoller.
Der NABU warnt vor Kirschlorbeer, https://bremen.nabu.de/tiere-und-pflanzen/pflanzen/21750.html
Dr. Marianne Klug, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen: Schäden an Lebensbäumen.
https://www.landwirtschaftskammer.de/landwirtschaft/pflanzenschutz/hausgarten/
schadprobleme/thujaschaeden.htm
myhomebook.de: Diese 5 Hecken sind besonders blickdicht. Alternative zum Zaun. Eintrag vom 07.02.2020
https://www.myhomebook.de/gardening/pflanzen/blickdichte-hecke
myhomebook.de: Umweltschädliche Pflanzen, auf die man besser verzichten sollte. Naturschützer warnen sogar.
Eintrag vom 10.05.2021
https://www.myhomebook.de/gardening/pflanzen/umweltschaedliche-pflanzen
Deter, Alfons: Alles rausreißen. Naturschützer für Verbot von Thuja, Rhododendron und Kirschlorbeer.
Erschienen auf top agrar online am 03.05.2021, https://www.topagrar.com/acker/news/naturschuetzer-fuer-verbot-von-thuja-
rhododendron-und-kirschlorbeer-12558488.html
Siemens, Folkert: Kirschlorbeer: Giftig oder harmlos? Erschienen auf mein-schoener-garten.de am 20.11.2020
https://www.mein-schoener-garten.de/gartenpraxis/ziergaerten/kirschlorbeer-giftig-oder-harmlos-35581
GGIZ Gemeinsames Giftinformationszentrum : Freilandpflanzen: Eibe und Kirschlorbeer.
Pflanzensteckbriefe zur Giftigkeit
https://www.ggiz-erfurt.de/eibe.html, https://www.ggiz-erfurt.de/kirschlorbeer.html
Biogärtner Karl Ploberger: Gibt es böse Pflanzen?
https://www.biogaertner.at/gibt-es-boese-pflanzen/
Lorentz, Frank: Die Büsche müssen weg. Das Ende des Kirschlorbeers (welt.de v. 10.11.2020), https://www.welt.de/regionales/nrw/article219759878/
Die-Buesche-muessen-weg-das-ist-das-Ende-des-Kirschlorbeers.html
"Wir haben nur ein kleines Grundstück. Eigentlich ist daher eigentlich nur Platz für eine schmale Formschnitthecke."
Was halten Sie von Liguster? Die Sorte ‘Atropurpureum‘ bleibt in nicht zu strengen Wintern zumindest wintergün. Der Blütenansatz als Nektar- und Pollenquelle ist jedoch abhängig davon, wie streng und wann der Heckenschnitt durchgeführt wird. Liguster ist giftig. Den Pflanzensteckbrief zu Liguster finden Sie hier.
Eine andere, allerdings etwas kostspieligere Idee ist die Verwendung von vorkultivierten Efeu-Heckenelementen: Efeu wird auf ein 1,50 bis 2,00 m hohes Metallgitter erzogen. Die Unterkonstruktion funktioniert eingebaut wie ein Zaun, der immergrüne Efeu gewährleistet von Anfang an den Sichtschutz in voller Höhe. Efeu ist ab einem Alter von etwa 10 Jahren als einer der wenigen echten Spätblüher wahrhaft ein Insektenmagnet. Für Efeu eignen sich am besten maximal absonnige Standorte. Bei praller Wintersonne und kalten Winden mit Frost leiden die Pflanzen sehr.